Wenn Sie drei Menschen fragen, was denn ein Labyrinth sei, erhalten Sie möglicherweise drei verschiedene Antworten:

  • ein verwinkeltes Gebäude, in dem man sich schon bald nicht mehr auskennt,
  • ein Irrgarten, der mit immer neuen Sackgassen aufwartet, wenn man hindurch finden will,
  • ein berühmtes Ornament in der Kathedrale von Chartres.

Verwirrend, geheimnisvoll, mystisch ... Das Labyrinth ist ein jahrtausendaltes Symbol für das Leben. Viele Hochkulturen der Erde haben es wie zwangsläufig für sich entdeckt und verwendet: die persische, die aztekische, die griechische, die abendländisch-christliche. Seine Faszination ist, dass es sich wie von selbst für den erklärt, der mit ihm umgeht. Er spürt im Gehen, dass das Leben ein Weg ist, ein ständiges Vorwärtsschreiten mit Wendepunkten, ein Auf und Ab, ein Zugehen auf Ziele und ein sie-wieder-Verlassen, ein Schwingen nach innen und außen und letztlich ein Pendeln um eine geheimnisvolle Mitte. Der Umgang mit dem Labyrinth ist eine spirituelle Übung. Spirituelle Übungen geben uns eine Ahnung von unserer Verbindung mit Gott. Sie verbinden Körper und Geist, sie helfen uns zu mehr Ausgeglichenheit, machen uns klarer in Kopf und Gefühl, und sei es nur für den Augenblick.

Und was ist mit dem Irrgarten? Er ist eine Spätform des Labyrinths, eine Spielerei, aufgekommen in der Zeit der barocken Ziergärten. Er verlässt das Bild des eindeutigen Weges, der zur inneren Mitte führt und büßt somit seine spirituelle Ausstrahlungskraft ein. Aber er greift eine andere Eigenschaft des ursprünglichen Labyrinths auf: das Spielerische. Das Labyrinth der Kreter war ein Tanzplatz. Dreitausend Jahre später haben die Bischöfe in den Labyrinthen der gotischen Kathedralen jährlich zur Osternacht liturgische Tänze getanzt. Kinder lieben Labyrinthe. Und wir Erwachsenen entdecken, wie schön es ist, sich der Form und der Bewegung zu überlassen.

Die Lutherkirche bietet zwei Labyrinthe: eines im Kirchpark zum Begehen und eines in der Kirche – als Fürbittleuchter.